Warum bleibt der EZB Leitzins auch in 2019 auf null?
Die Europäische Zentralbank will frühestens im Herbst über eine Wende in ihrer Geldpolitik nachdenken. Der Leitzins soll bis dahin, wahrscheinlich sogar für das ganze Jahr auf niedrigem Niveau verharren. Begründet wird der Entschluss mit geopolitischen Unsicherheiten und einer Wachstumsdynamik, die schwächer als erwartet auftritt.
Ausschlaggebend sind unter anderem Handelskonflikte zwischen den USA und China, ein EU-Abschied ohne Übereinkommen von Großbritannien sowie eine sich abkühlende Konjunktur in den europäischen Nationen. Damit einhergeht eine seit Dezember wieder sinkende Inflationsrate, die mit aktuell 1,6% weit von der EZB-Vorstellung von 2% entfernt ist.
Seit Jahren versucht die Europäische Zentralbank, mit ihrer Zinspolitik die Konjunktur in Gang zu bringen, und die Teuerungsrate in die Höhe zu treiben. Obwohl die Methode heftig umstritten ist und bislang wenig erfolgreich war, will Mario Draghi daran festhalten.
Welche Auswirkungen hat die Geldpolitik der EZB generell?
Das Anleihekaufprogramm stützt die wirtschaftlich schwachen Staaten in Südeuropa und wird von Kritikern als gigantische Umverteilung angesehen. Seit März 2015 flossen mehr als 2,6 Billionen Euro in mediterrane Länder, damit deren Schwierigkeiten mit der für sie zu starken Währung keine Auswirkungen auf die internationalen Finanzmärkte haben.
Nach Ansicht renommierter Experten fangen die Probleme jedoch erst an, wenn die Zeiten des billigen Geldes aufhören. Seit Dezember 2018 ist das Anleihekaufprogramm der EZB beendet, institutionelle Investoren müssen aber weiterhin mit geringen Zinsen leben.
Wie entwickeln sich die Zinsen in der BRD?
Solange Banken bei der EZB über den aktuell Leitzins zum Null-Tarif mit Geld versorgt werden, bekommen Sparer nur Minizinsen für ihre Einlagen. Rentenversicherer und Kapitallebensversicherer sind zur sicheren Anlage der Beiträge verpflichtet und finden bei Investments in Bundesanleihen keine ausreichenden Erträge, um ihre Versprechen erfüllen zu können.
Sparer müssen auf andere Anlageformen ausweichen, Versicherer können das nur, wenn sie ihre Beitragszahler an den Risiken beteiligen. Produkte wie fondsgebundene Lebensversicherungen sind eine Folge der Zinspolitik von Mario Draghi.
In den 1970er Jahren erhielten Sparer durchschnittlich 4,6% Zinsen, mittlerweile sind nur noch 0,2% realisierbar. Selbst bei Festgeld mit einem Jahr Laufzeit kommt der Zins nicht an die Inflation heran. Sparen führt dank der EZB Geldpolitik zum Vermögensschwund.
Mit der Aussage von Mario Draghi im Januar ist für die Sparer sämtliche Hoffnung auf eine Trendwende obsolet. Frühestens 2020 können sie auf leicht steigende Zinsen hoffen, Kreditnehmer müssen dann allerdings mehr für ausgereichte Darlehen bezahlen.
Wie mit dauerhaft niedrigen Zinsen umgehen?
Sparer müssen lernen, für höhere Renditen mehr Risiken auf sich zu nehmen und auf Aktien oder Fonds umsteigen.
Kreditnehmern ist schnelles Handeln zu raten, sie sollten ihre Pläne vor einer Erhöhung des Leitzinses umsetzen. Auf steigenden Leitzins reagieren die Kreditzinsen in der Regel wesentlich schneller als die Sparzinsen.
Angesichts der schwer vorhersehbaren Entwicklung müssen Bauherren und andere Kreditnehmer die Situation im Auge behalten und zu schnellem Handeln bereit sein. Im Idealfall werden die heute niedrigen Kreditzinsen bei langer Laufzeit in die Zukunft mitgenommen.
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